Die letzten Tage auf der GDMBR fordern uns nochmals alles ab: Steile Anstiege, holprige Pisten, Erosionsschaeden in Form von weggeschwemmten Strassen und Bruecken und einige Matschpassagen. Unsere Raeder mussten bislang viel aushalten und haben Gott sei Dank immer alles Herausforderungen standgehalten (das Resultat akribischer Vorbereitung!). Eines Tages, am drittletzten Tag auf dem Weg nach Banff, war es dann fuer Bettinas Velo des Matsches zuviel. Die Kette verklebt und dreht nicht mehr, das Schaltwerk verklemmt - und das Schaltauge bricht ab. Schoener Mist! Der Antrieb ist dahin, das Velo ist nicht mehr fahrbar. Und das ausgerechnet jetzt, wo wir so kurz vor dem Ziel sind, der naechste anstaendige Veloladen drei Velotage entfernt ist (mehr als 100 km in jede Richtung)! Autos, welche uns mitnehmen koennten, fahren hier auch keine (es wuerde uns aber sowieso enorme Ueberwindung kosten, unsere aergsten "Feinde" um Hilfe zu bitten...). Aber Raphael ist gluecklicherweise nicht nur einfallsreich, sondern auch ein super Velomechaniker, so dass es ihm in zweistuendiger Arbeit gelingt, ein Singlespeed hinzuzaubern, und dies, obwohl Bettinas Velorahmen keine vertikalen Ausfallenden hat. Wenigstens haben sich nun die 9 Jahre Physikstudium gelohnt :). Bettina faehrt darum die letzten Tage bis Banff ein Ein-Gang-Velo. Gluecklicherweise ist die Strecke recht hueglig, so dass der sehr kleine Gang meist passend ist. Auf den flachen Strecken ist Strampeln angesagt, aber es ist ja nicht mehr weit. Dafuer ist die Landschaft extrem spektakulaer, wir fahren, oft auf auf Single-trails, an wunderschoenen Seen und Bergen vorbei. Kurz vor Banff dann das letzte groessere Hindernis: Die Durchquerung eines grossen Baches (die Bruecke fiel letztes Jahr den massiven Ueberschwemmungen zum Opfer und wird gerade neu installiert). Wir muessen den Fluss dreimal furten (Velo und Gepack separat), kommen aber sicher rueber.
Ein erster Rundgang durch die Velolaeden in Banff endet ernuechternd: Es gibt etwa 400 verschiedene Schaltaugen (fast jeder Rahmenherrsteller hat sein eigenes Modell) und gilt damit die Nadel im Heuhaufen zu finden, bzw. das passende beim Hersteller zu bestellen. In unserem Fall hiesse das, wochenlang auf das Ersatzteil aus der Schweiz zu warten. In keinem Laden in Banff findet sich das passende Modell und wir ueberlegen schon mal, welche Moeglichkeiten wir haben: Bettina faehrt ab jetzt nur noch Singlespeed. Wir verbringen mehrere Wochen, auf das Ersatzteil wartend, in Banff und verpulvern ein Vielfaches unseres Reisebudgets. Wir steigen auf einen Camper um und montieren die Velos hinten zur Dokoration. Gluecklicherweise kommt es dann aber doch nicht so weit, denn wir haben Glueck und geraten an einen Velomech-Freelancer, der glaubt, etwas einigermassen Passendes Zuhause zu haben. Und tatsaechlich, am naechsten Tag halten wir ein Schaltauge in den Haenden, welches mehr oder weniger passt und nach einem einstuendigen Veloservice (natuerlich selbst gemacht), ist das Velo fast wieder wie neu! Wir sind uebergluecklich, uns nun doch nicht in einem Camper quaelen zu muessen... das wuerde so gar nicht zu uns passen.
In Banff endet unsere geliebte GDMBR. Wir sind traurig, dass diese tolle Strecke nun zu Ende ist und wir keine abgelegenen, einsamen Strecken mehr zu fahren haben. Banff ermoeglicht uns nicht gerade einen sanften Einstieg zurueck in die Touristenwelt, der "Dichtestress" des Touriortes trifft uns mit voller Wucht. Das Hotel kostet pro Nacht annaehernd doppelt so viel, wie wir bislang bezahlt haben. Ueberall wimmelt es von Touristen (vor allem aus Asien), welche mit ihrer Stadtkarte in den Haenden auf den Strassen rumstolpern. Agenturen buhlen mit spektakulaeren und "baerengarantierten" Angeboten um Kunden und sowieso erinnert uns der Ort ziemlich an Zermatt. Wir moegen ihn nicht uebermaessig.
Was uns allerdings sehr gefaellt, ist, dass wir auf einer kleinen Wanderung auf den Hausberg einen Baeren sehen! Zwar aus etwa 100m Entfernung und auch nur kurz, aber nachdem wir bislang immer nur Baerenkot und Fussspuren gesehen haben, ist die erste richtige Baerenbegegnung doch recht aufregend!
Wir nutzen die Zeit in der Stadt um uns ganz neu zu orientieren und muessen erstmals eine Landkarte kaufen (die beste auffindbare ist im Massstab 1:2 Mio!). Wir haben noch ueber 4 Wochen Zeit, Vancouver koennten wir aber in einer guten Woche schon erreichen. Wir beschliessen, den Rocky Mountains noch etwas gen Norden zu folgen. Wir bleiben also noch eine Weile im Banff National Park und der Weg fuehrt uns (und taeglich weitere gefuehlte 100 000 Touristen) nach Norden zum Lake Louise. Zweifellos ein wunderbarer Ort mit hohen, vergletscherten Bergen rechts und links, aber so richtig wohl fuehlen wir uns erst, als wir dem Strom auf einer hochalpinen Wanderung entfliehen koennen. Konnten wir bislang davon profitieren, dass der grosse Touristenstrom noch am Arbeiten ist, bekommen wir nun die Ferienzeit zu spueren. Das Verkehrsaufkommen auf der Strasse ist enorm, ein RV nach dem anderen braust an uns vorbei und aus irgendeinem Grund hupen uns die Leute gerne zu (was das Ganze noch lauter macht).
Auf dem Velo profitieren wir davon, dass wir mehr Zeit haben, um die Landschaft zu bewundern und auch mal ein paar Naturschaetze entdecken, an welchen die Autos vorbeirasen. Vor allem am fruehen Morgen ist die Strasse fast leer und das Licht sehr schoen. Die 230 km lange Strasse nach Jasper, der sogenannte "Icefields Parkway" wird als schoenste Strasse der Welt beworben, und tatsaechlich ist sie sehr schoen. Die Landschaft erinnert zwar an die Schweiz, jedoch ist alles viel weniger besiedelt (die Einwohnerdichte ist in Kanada 50 Mal kleiner als in der Schweiz). So erspaehen wir tatsaechlich nochmals einen Baeren, der sich in kleiner Entfernung auf der Wiese sonnt. Den Autofahrern entgeht aber nicht lange, dass wir etwas bestaunen und so passiert es mehrere Male, dass sie von unseren Entdeckungen "profitieren". Manchmal passiert es aber auch, dass wir nur auf einander warten, die Autofahrer aber denken, wir haetten wieder etwas entdeckt und ebenfalls anhalten. Irgendwann merken sie dann enttaeuscht, dass es wohl doch nichts zu sehen gibt und fahren weiter. Zeitweise erinnert uns der Japser Park ans Jungfraujoch: Es hat Hunderte Inder, Chinesen und Araber, welche total auf die Bergwelt abfahren. Die Hauptattraktion hier ist eine Fahrt auf das Gletschereis des "Columbia Icefields" mit einem speziellen, gletschertauglichen Bus. Haben die Asiaten fast Traenen in den Augen vor Freude, widert uns dieser Zirkus richtig an und wir hoffen, aus dem Parkrummel bald wieder rauszukommen.
Die Rueckkehr auf die asphaltierten Strassen nach Jasper, dem sogenannten Trans-Canada-Highway, faellt uns schwer. Zusaetzlich zum Touristenverkehr donnern regelmaessig Lastwagen mit 100 km/h vorbei. Es ist extrem laut, wir koennen nicht mehr neben einander fahren und sehnen uns nach der Einsamkeit. Anders als in den USA scheint es hier kaum Nebenstrassen zu geben, bzw. sind diese meist Sackgassen. Dazu fahren die Kanadier, als gaebe es kein Morgen, moeglichst schnell und mit moeglichst grossen Boliden. So quaelen wir uns 350 km durch den dichten Verkehr und bald darauf auch durch die Hitze. Die Rocky Mountains lassen wir auf dem Weg nach Vancouver hinter uns und sind nun so tief im Tal wie schon seit vielen Wochen nicht mehr. Der Sommer begruesst uns dann gleich mit heissen 30 Grad, so dass wir bald nur noch warme Bruehe in unseren Wasserflaschen haben, welche uns waehrend der schweisstreibenden Passanstiege noch etwas mehr erwaermen. Wir entfliegen darum wenn immer moeglich der Hitze und Strasse und unternehmen verschieden Wanderungen.