Butte - Sparwood

06/24/2014

Wie immer nach einem Ruhetag verlassen wir Butte wohlgenaehrt und mit viel frischem Essen in den Taschen. Die Route fuehrt uns allerdings in den darauffolgenden Tagen mehr ueber Wanderwege als ueber Strassen und wenn wir unsere Raeder ueber Stock und Stein schieben, stossen und zerren, denken wir hin und wieder, dass halb so viel Essen die Sache wohl etwas vereinfacht haette... Die GDMBR vermeidet ja nach Moeglichkeit Asphaltstrassen, was immer wieder dazu fuehrt, dass wir uns auf Schneemobil- oder Quad-Trails wiederfinden, welche scheinbar kreuz und quer durch die Landschaft fuehren. Die Orientierung ist extrem schwierig und obwohl wir relativ gutes Kartenmaterial und eine ausfuehrliche Routenbeschreibung im Fuehrer haben, verfahren wir uns einige Male. Denn die Beschreibung ist fuer Velofahrer, die von Nord nach Sued pedalen. Fuer uns bedeutet dass, dass wir alles "rueckwaerts" lesen und rechnen muessen. So verpassen wir manchmal eine Abzweigung oder fahren an einer Kreuzung in die falsche Richtung. Wir merken es aber gluecklicherweise immer recht bald. Wir nehmen uns aber fuer zukuenftige Reisen vor, ein GPS mitzufuehren :).

Nachdem wir wochenlang niemanden auf der Route getroffen haben (da die empfohlene Saison eben erst gerade beginnt) und so entsprechend wenig ueber die Strassenverhaeltnisse wussten, kreuzen wir nun jeden Tag immer wie mehr GDMBR-Fahrende. So erhalten wir aktuelle Infos aus erster Hand und erleben keine boesen Ueberraschungen mehr. Wir merken so nun auch fast taeglich, dass wir mit unserem "Set up" auf dieser Strecke ziemliche Exoten sind, die meisten sind mit gefederten Mountainbikes und total anderem Packsystem unterwegs, welches mehr Spielraum und Bodenfreiheit erlaubt. Abgesehen von den Wanderweg-Strecken machen sich aber unsere Raeder wunderbar! Jedoch fuehlen wir uns hier im Norden Montanas etwas "eingesperrt": Wir fahren ununterbochen durch dichten Wald, was nach einigen Tagen etwas monoton wird, da man selten weiter als 20m sieht.

Auf der GDMBR gibt es auch ein Rennen, die "Tour Divide". Bei diesem extremen Mountainbike-Rennen geht es darum, die Strecke (ohne Support) so schnell wie moeglich zu fahren. Es starten alle zusammen in Banff. Tagesetappen gibt es keine, die Uhr laeuft Tag und Nacht. Am dritten Tag nach dem Start kreuzen wir die ersten Rennfahrer und in den folgenden Tagen begegnen sie uns in Scharen. Einige halten fuer einen kurzen Schwatz an, fragen nach den Streckenbedingungen oder danach, was tun, andere sausen an uns vorbei. Muede sehen sie aber irgendwie alle aus. Die meisten schlafen nur wenig (die Cracks zw. 2 und 5 Stunden), fahren rund 16 Stunden pro Tag und welche uebermenschliche Leistung die ambitionierten dieser Leute vollbringen zeigt dieses Beispiel: Der Leader brauchte 26 Stunden fuer eine Strecke, fuer welche wir eine knappe Woche rechnen (rund 400km). Zweiter Unterschied: Wir koennen die Strecke bei trockenen Bedingungen fahren, waehrend die Rennfahrer sie in sinnflutartigem Regen bewaeltigen mussten. Wir geniessen es einmal mehr, dass wir die Strecke ohne Zeitstress geniessen koennen, an schoenen Orten verweilen duerfen und den Velotag dann zu beenden, wenn wir genug haben. Das ist meistens lange bevor 16 Stunden im Sattel, meist fahren wir netto 6-7 Stunden. Da das Fahren auf dem Trail viel anstrengender ist als auf einer Asphaltstrasse kommen, wir in dieser Zeit meist "nur" 50-70km weit, waehrend wir wohl auf Asphalt das Doppelte schaffen koennten.

Je mehr wir uns der kanadischen Grenzen naehern, desto schlechter wird das Wetter. Anfangs kommen wir noch relativ trocken davon (es regnet jeweils nur kurz), dann regnet es zwei Tage am Stueck. Am ersten fahren wir nur zwei Stunden, gerade genug lange, um trotz Regenkleidern klatschnass zu werden. Wir fluechten uns ins erste Hotel und beschliessen, erst mal etwas zu entspannen, um dem Regen Zeit zu geben, sich "auszuregnen". Da dies noch etwas dauert, legen wir spontan einen Ruhetag ein. Wir merken allerdings schnell, dass uns das Rumhaengen nicht so liegt und waehrend dieser 1.5 Tage sehnen wir uns mit jeder Minute mehr nach dem Rad. Umso erfreuter sind wir, als es am naechsten Tag endlich aufhellt und wir weiterfahren koennen. Unser Plan, den Glacier Nationalpark zu besuchen, muessen wir aufgeben, es hat weit runtergeschneit (ca 40-50cm) und es gibt Ueberschwemungen und Erdrutsche. Wir muessen unseren Wunsch, endlich wieder mal zu Wandern, also noch etwas aufschieben.

Der sich nahende Grenzuebertritt nach Kanada erinnert uns daran, dass sich auch unsere letzte Etappe auf der GDMBR naehert und dieser Gedanke stimmt uns gleich etwas traurig. Denn das bedeutet, dass wir bald wieder auf die Asphaltstrassen verbannt werden. Wir wollen darum noch gar nicht allzu fest daran denken, sondern geniessen die Herausforderungen, welche uns vorerst noch bevorstehen. Und wir kommen nicht zu kurz: Wir ueberqueren muehsam 15 Lawinenkegel inkl. vielen mitgerissenen Baeumen und schieben das Rad ueber eine 5km lange Schneedecke. Zum Glueck wussten wir von den Rennfahrern ueber diese Hindernisse Bescheid, so macht uns dieser "Krampf" nicht viel aus.

Die naechste Herausfordung stellt sich in Form eines kleinen Kreuzverhoer an der kanadischen Grenze. Die darauffolgende macht uns wieder mehr Spass: Eine extrem einsame und anspruchsvolle Strecke mit keinerlei Versorgungsmoeglichkeiten, dafuer einigen steilen Paessen, enorm steinigen und rumpligen Strassen und Duzenden von Flussdurchquerungen. Der Fluss hat hier stellenweise die Herrschaft ueber die Strasse uebernommen und die Strasse in ein Flussbett umgewandelt. Die ersten Durchquerungen durch das eisige Wasser am Morgen frueh bei 9 Grad Lufttemperatur sind nicht gerade ein Genuss. Aber zum Glueck waermt uns bald die Sonne, so dass die Kaelte etwas ertraeglicher wird. Dennoch, wenn wir laenger als 10 Sekunden am Stueck im Wasser stehen, verabschiedet sich das Gefuehl in den Fuessen langsam aber sicher. Eine Verletzung, ein Misstritt oder sonst ein Unfall waere in dieser Einsamkeit verherend und wuerde bedeuten, dass wir einen langen Weg zurueck zu den "letzten" Menschen auf uns nehmen muessten (wir haben ja kein Handy). Autos verkehren hier nicht, fuer sie ist die Strasse nicht befahrbar. Wenn wir es uns richtig ueberlegen waren wir mit dem Velo noch nie so weit weg von der Zivilisation bzw von allfaelliger Hilfe durch Autos, grandios. Es ist fast so wie beim Klettern ohne Seil, man darf sich keinen Fehler erlauben!

Wir schaffen es aber, die etwa 20 Durchquerungen heil hinter uns zu bringen und stehen damit auch schon auf dem letzten Pass, bevor uns die Zivilisation wieder hat. Vorerst gilt es aber noch eine Abfahrt, wie wir es noch nie erlebt haben, zu hinter uns zu bringen. Die Strassen ist mit fussballgrossen Steinen uebersaet, so dass es uns im Sattel hin- und herwirft. Wir sehen auch immer wieder Baerenkot, allerdings keinen Baeren (obwohl die Strecke auch "Grizzly-Highway" genannt wird). Als wir nach 10 km Geholper und Gerumpel wieder auf die Asphaltstrassen stossen, geniessen wir die exzellten Strassenbedingungen umso mehr und als der Rueckenwind einsetzt, rollen wir scheinbar muehelos in die fuer uns erste kanadische Stadt ein, welche vom Abbau von Kohle lebt. Hier steht auch der groesste Lastwagen der Welt, gewaltig! Obwohl wir schon seit 3 Tagen durch Kanada fahren muessen wir hier erst Geld welchseln, denn bisher konnten wir ja noch keines ausgeben. Ebenfalls steht nun wieder der Welchsel ins Metrische System an. Eigentlich schade, haben wir doch in den letzten 11 Wochen pounds, ounces, quarts, gallons, feet, yards, miles und Fahrenheit liebgewonnen.