Wir dachten immer, in Kanada sei es vor allem nass und kalt, doch es geht anscheinend auch anders. Schon seit Tagen leiden wir unter den hohen Temperaturen ueber 30 Grad und der Blick in den Wetterbericht laesst uns nicht schlecht staunen: In den naechsten 7 Tagen wird es zunehmend heisser mit Hoechsttemperaturen ueber 40 Grad!! Da gibt es nur zwei Optionen: a) Wir faulenzen den ganzen Tag im Schatten, essen Eis, gehen baden oder b) Wir quaelen uns auf der Suche nach kuehleren Temperatrurenmit dem ganzen Gepaeck und Essen fuer 2 Tage 1500 Hoehemeter auf einer ueberraschend schrecklichen Piste den Berg rauf. Wer uns kennt, wird wohl bald erraten, dass wir ohne gross zu ueberlegen die letztere Option waehlen.
Oben im "Trophy Mountain" Gebiet angekommen erwartet uns eine Landschaft, die uns sehr stark an die Schweiz erinnert, jedoch mit 3 markanten Unterschieden: Erstens hat keine Leute, zweitens hats keine Kuehe und drittens es hat Millionen Moskitos, Blackflies und Bremsen! Mit den Muecken kaempfen wir uns schon seit einiger Zeit rum, doch so viele wie hier oben haben wir haben noch nie erlebt und es faellt uns schwer, die schoene Landschaft zu geniessen. Zuverlaessiger Stechviecherschutz sind lange Kleider, aber das Abendessen will uns bei 30 Grad und viel zu warmer Kleidung nicht so richtig schmecken. Am naechsten Tag starten wir zu wir zu einer einsamen, weglosen Wanderung auf den Gipfel des Trophy Mountains. Die Euphorie der Einsamkeit verfliegt leider schnell, innerhalb von einer Stunde haben sich ca 10 Rossbremsen um uns herum versammelt, die uns permanent umschwirren und attaktieren. Irgendwann kommen wir mit um uns schlagen, um die Viecher zu verscheuchen, nicht mehr nach und Wandergenuss will auch nicht so richtig aufkommen. Irgendwann wird die Situation so schlimm, dass wir die Wanderung abbrechen und ins Tal fluechten. Dort angekommen ist unsere Motivation am Boden und wir ueberlegen uns sogar, den Heimflug vorzuverschieben. Nachdem wir in den letzten Monaten so viel Schoenes erlebt haben, brauchen wir das Gequaele mit Viecher und Verkehr nicht mehr. Allerdings koennen wir nicht einfach heim, da unsere Wohnung untervermietet ist, so setzen wir uns nochmals hin, um zu ueberlegen, wie wir die letzten Wochen genussvoll verbringen koennten.
Da wir beide keine Stadtliebhaber sind, wollen wir uns moeglichst viele Umwege bis Vancouver einlegen, einfach auf der Hauptsrasse zu fahren, waere uns zu langweilig. So waehlen wir wann immer moeglich unasphaltierte "backroads" mit gehoerigen Hoehenmetern und immer wieder fahren wir auch Sackgassen zu abgelegenden Zaeltplazten. Obwohl sehr anstrengend, lohnen sich solche Abstecher meist, denn hier koennen wir das "richtige" Kanada erleben, jenes, welches uns gefaellt: Einsamkeit und Wildnis. An dieses Erlebnis ist auf den Hauptstrassen nicht zu denken und wir bemittleiden duenn bereifte Radfahrer, welche "nur" die Landschaft entlang dem Trans-Canada-Highway bewundern koennen.
Den Hoehepunkt der Hitzewelle erleben wir in Lillooet. Bei 41 Grad gibt es fuer uns nur eine Loesung: Im klimatisiertem Hotelzimmer sitzen und eiskalte Getraenke trinken. Es ist das erste und wohl einzige Mal, dass wir in Nordamerika eine Klimaanlage benuzten. Draussen ist es so heiss, dass der Fahrtwind den Koerper richtiggehend aufheitzt anstatt zu kuehlen. Es fuehlt sich an, als wuerden wir heiss anfoehnt werden. Wir planen die Tage jeweils so, dass wir spaetestens um 7 Uhr morgens auf dem Velo sitzen, am fruehen Nachmittag anhalten, in einen der zahlreichen See oder Fluss springen und nach 17 Uhr nochmals ein paar Kilometer radeln. Das Finden eines Zeltplatzes (zum wild Zelten) ist oftmals recht schwierig, denn die Vegetation ist derart dicht, dass wir auf gerodete Flaechen angewiesen sind. Oftmals bleiben wir darum auch auf offiziellen Zeltplatzen, obwohl wir diese nicht sehr moegen. Unserer Meinung nach hat das Zelten auf Campingplatzen wahrlich wenig mit dem "echten" Zelten in der freien Natur zu tun. Zudem unterscheidet sich unser Rhytmus deutlich von jenem, der meisten anderen Zeltplatzbesucher und meistens gibt es noch jemanden, der um Mitternacht seinen droehnenden Generator anstellt, um uns so den Schlaf zu rauben
Wie schon in den USA, haben wir hier in Britisch Kolumbien immer wieder sehr nette Begegnungen mit Kanadiern. Zum Beispiel als an einsem sehr abgelegenen See im Callaghan Park nahe Whistler zelten (20km auf uebelster Stichstrasse steil den Berg rauf) zelten: Als wir von einer Tageswanderung durch einen regelrechten Regenwald zurueck kommen, staunen wir nicht schlecht, als sich ein Team von ca 20 Leuten am See versammelt hat, um Werbefotos zu schiessen. Wir werden prompt eingeladen, von ihrem Catering zu essen: frischer Salat, Sandwiches, Kuchen etc. Nachdem wir uns ein drittes Mal bedient haben, ist das Buffet doch schon deutlich kleiner geworden. Ein ander Mal schenkt uns ein Einheimischer, als wir nach einem strengen 7h-Tag weit weg von jeglicher Einkaufsmoeglichkeit unter einem Baum sitzen, zwei Dosen kaltes Bier aus seiner Kuehlbox (die natuerlich Raphael genuesslich trinkt).
Als wir in Squamish - der Hauptstadt des Outdoorsports - einfahren, hat das Wetter umgeschlagen, es regnet in Stroemen und es die Temperaturen sind auf kuehle 15 Grad gesunken. Wir geniessen die Abkuehlung erstmal und sitzen das nasse Wetter aus, um noch ein paar Wandertage zu verbringen. Es trennen uns nur noch rund 60km von Vancouver, aber wir haben es nicht eilig, dorthin zu kommen. Als der Regen der Sonne weicht, profitieren wir nochmals von unseren gestaehlten Beinen und "mountainbiken" mit dem ganzen Gepaeck (mangels Aletrnativen) 1700 Hoehenmeter rauf zu den Elfin Lakes. Dort erwarten uns wunderschoene Landschaft, ein friedlicher Zeltplatz und einige Wandermoeglichkeiten. Wir verbringen zwei Tage zu Fuss und fuehlen uns ein bisschen wie zu Hause: Inmitten von Bergwiesen und -seen, Gletschern und Gipfeln, die Lust auf Besteigungen machen. Wettermaessig sind wir wieder vom Glueck gesegnet, die Sonne scheint wieder jeden Tag!
Wieder unten im Tal in Squamish unternehmen wir nochmals zwei Wanderungen, koennen immer wieder ein paar Leute beeindrucken, welche uns auf unsere Reise ansprechen und bereiten uns schon mal mental auf Highway-Fahrt nach Vancouver vor. Diese wird dann gar nicht so uebel, schliesslich wissen wir, dass es die letzte sein wird, was uns den Hoellenverkehr und -laerm ertraeglicher macht. In Vancouver feiern wir nach wunderschoenen, aber auch strapazioesen, herausfordernden und manchmal langweiligen 113 Tagen und 7400 Kilometern den Abschluss unserer Reise. Als erstes trennen wir uns von einigen Dingen, welche uns auf dieser und anderen Reisen gute Dienste geleistet haben, unter anderem von unserem 1000 Fr - Zelt, welches nach ca. 400 Naechten von Loechern uebersaet ist und uns mit allerlei Defekten die Nerven geraubt hat.
Wir sind dankbar, die Moeglichkeit fuer diese erlebnisreiche Reise bekommen zu haben und auch etwas traurig, dass es schon bald "back to reality" heisst und wir nicht mehr so unendlich viel Zeit haben, welche wir zu zweit geniessen koennen.