Durango - Steamboat Springs

05/19/2014

Da wir unsere Wunschroute vorerst noch nicht befahren koennen, waehlen wir eine passreiche Strecke. Und Paesse gibt es in Colorado gluecklicherweise viele. Innerlich hoffen wir stets, im naechsten Ort auf unsere Route stossen zu koennen, werden aber staendig enttaeuscht und muessen umplanen. Man scheint uns wegen unserer Naivitaet beinahe auszulachen, anfangs Mai Strecken auf ueber zwischen 2000 und bis ueber 3000m befahren zu wollen. Vorerst muessen wir uns noch mit den Teerstrassen abfinden und versuchen so, eine interessante Strecke zu finden. Nachdem wir nun 1.5 Monate nach Osten gefahren sind, drehen wir in Durango erstmals nach Norden.

Nach wenigen Tagen in Colorado erleben wir einen Wintereinbruch. Es vergeht kaum ein Tag, an welchem wir nicht in verschneiter Landschaft aufwachen oder unterwegs ins Schneegstoeber oder in einen Regenschauer kommen. Am Morgen ist alles gefroren und es kostet uns einige Ueberwindung, uns bei Minustemperaturen aus den warmen Daunen zu schaelen, um bibbernd den heissen Tee zu schluerfen. Das Thermometer klettert auch tagsueber nicht ueber 7 Grad und auf gewissen Passabfahrten werden wir beinahe zu Eisskultpuren. Manchmal muessen wir mehrmals anhalten, um uns wieder aufzuwaermen. Zum Glueck sind wir nun schon so lange auf dem Velo, dass wir nicht mehr hinterfragen, was wir hier eigentlich tun, wir tuns einfach.. Am Anfang haetten wir wohl bei diesem garstigen Wetter den Koller bekommen. Es ist sehr interessant wie schnell wir uns ans Velotouren gewoehnen, die ersten Wochen sind oft extrem anstrengend, aber irgendwann wird es "Alltag"... und mittlerweile sind wir abends nicht mal mehr richtig muede und brauchen eine Weile, um einzuschlafen.

Nach dem Wintereinbruch ueberfahren wir, nochmals zusammen mit Kristine und Billy, die wir wiedergetroffen haben, zum ersten Mal den Continental Divide auf 3500m Hoehe, also die Wasserscheide welche durch die Rocky Mountains gebildet wird: Wenn man hier "pieselt" laeuft die eine Haelfte in den Pazifik und die andere Haelfte in den Atlantik. Schon noch speziell, wenn man so denkt :).

Unterwegs werden wir immer wieder von Leuten angesprochen (woher, wohin, wie lange usw.). Manchmal ist es auch ermuedend, das "Spruechlein" mehrmals am Tag aufzusagen, aber die Leute sind sehr aufgeschlossen und interessiert. Wenn wir sagen, dass wir aus der Schweiz kommen, hat jeder noch eine positive Erinnerung, eine gute Bekanntschaft, den Wunsch dorthin gehen zu konnen usw. Das Image der Schweiz scheint trotz der angenommenen Masseneinwanderungsinitiative nach wie vor intakt zu sein... Einige Male werden wir zu jemandem nach Hause eingeladen, aber es passt nie mit unseren Plaenen zusammen, weil es noch zu frueh zum Aufhoeren ist, der Wohnort zu weit abseits der Route liegt oder so. Es sind immer aktive oder ehemalige (Touren-) Velofahrer, die uns einladen und gleich eine Verbundenheit zu uns zu verspueren scheinen. Fuer uns ist es immer noch gewoehnungsbeduerftig, dass der zweite Satz bereits ist: Wollt ihr bei mir uebernachten? und wir aergern uns etwas ueber unsere schweizerische Verkorkstheit.

Wir fahren weiter nach Norden und erreichen den kleinen Ort Kremmling. Hierhin haben haben wir Velokarten bestellt, die wir nun auf der Post abholen. Dass wir nun mit entsprechendem Kartenmaterial ausgestattet sind, nehmen wir gleich zum Anlass, um einen Versuch auf der Great Divide Moutain Bike Route (GDMBR) zu unternehmen. Die GDMBR ist eine Zusammenstellung von meist nicht-asphaltierten Nebenstrassen und ist ohne genaues Kartenmaterial nicht zu finden. Wie die genauen Schneeverhaeltnisse unterwegs aussehen, kann uns in Kremmling niemand sagen. Zu klein und fuer die meisten Leute unwichtig sind die Strassen. Wir scheinen aber Glueck zu haben. Das Wetter ist uns wohlgesinnt (wir bekommen nie mehr als 10 Regentropfen am Stueck ab) und Schnee sehen wir weit und breit keinen. Die Strasse ist wunderbar, wenig befahren und landschaftlich viel schoener als einige der Strecken, welche wir in den letzten Tage gesehen haben. Wir sind neu topmotiviert und in einem richtigen Rausch. Als wir Mittagspause machen, raet uns allerdings eine Einheimische davon ab, in diese Richtung weiterzufahren. Oben habe es noch so viel Schnee, dass es fuer uns kein Durchkommen gebe, wir sollen umkehren! Wir studieren daraufhin nochmals die Karte, finden aber keine ansprechende Alternative. Zudem haben wir uns noch eine Portion von suedmaerikanischem Optimismus behalten: Dort hat man uns staendig davon abgeraten, irgendwelche Strassen zu befahren. Weil zu ungeeignet fuer Velos, zu kalt, in zu schlechtem Zustand, zu einsam, zu weit bis zum naechsten Ort usw. Geklappt hat es dann aber immer und so sind wir auch dieses Mal sicher, dass wir irgendwie durchkommen. Notfalls sind wir auch bereit, durch den Schnee zu stossen. Unsere Route kreuzt nach ca. 20km eine Teerstrasse. Wenn wir es bis dorthin schaffen, koennen wir notfalls auf diese ausweichen.

Wir fahren also guten Mutes weiter und erleben den anstrengendsten Tag unserer bisherigen Tour. Die Strasse steigt mit einigen Zwichenabfahrten an und ist tlw. so steil, dass wir stossen muessen. Bald erwarten uns Duzende umgestuertzte Baeume, welche den Weg unpassierbar machen. Es bleibt uns nichts anderes uebrig, als die Velos samt Gepaeck drueberzuhieven. Ein kraftraubender Akt, den wir mehrmals wiederholen muessen. Zwischendurch haben wir genug Zeit, die tolle Landschaft, die Einsamkeit und die Herausforderung zu geniessen. Als wir schon fast auf 3000m oben sind, erreichen wir den ersten Schnee. Aber wir haben Glueck und es sind nur kleine, relativ gut passierbare Schneefelder.

Die Strasse fuehrt weiter nach oben und die Landschaft entspricht so gar nicht der Beschreibung im Fuehrer, so dass wir ploetzlich unsicher werden, ob wir noch richtig sind. Es ist schon einen halben Tag her, dass wir das letzte bewohnte Haus und das letzte Auto gesehen haben und wir werden uns immer mehr bewusst, dass wir total auf uns alleine gestellt sind, sollte etwas passieren. Aber es dauert nicht mehr lange und wir erblicken die Teerstrasse. Uff, wir sind also richtig! Doch da die GDMBR neu gelegt wurde (nach Druck der Karte), wissen wir nun nicht mehr, wo genau wir sind. Aber das ist fuer heute erstmal egal, wir schlagen unser Lager auf und fallen muede, aber gluecklich auf unsere Isomatten.

Am naechsten Tag finden wir unsere Route bald wieder. Sie fuehrt ueber einen Pass, der nicht viel hoeher liegt. Doch dieses Mal scheint die Prognose der Einheimischen vom Tag zuvor besser zu stimmen. Erst sind es nur kleine Schneeflecken, welche uns der Weg versperren und wir kommen gut durch. Dann wird der Schnee immer mehr und schwerer, so dass wir unsere Raeder richtiggehen durchreissen muessen. Nach einer energieraubenden halben Stunde muessen wir uns eingestehen, dass es keinen Sinn hat. Kurz vor dem Pass kehren wir um und fahren ueber die Teerstrasse ins Tal. Bei der naechsten Gelegenheit wollen wir wieder auf die Route stossen, doch auch dort ist nach kurzer Zeit bereits Schluss. Diesmal ist die Strasse fuer temporaere Wildruhezeiten gesperrt. Das heisst fuer uns also, wieder umzuplanen und einen neuen Weg zu finden. Nach vielem Umkehren, Umplanen und Umwegen erreichen wir dann aber doch Ende Nachmittag Steamboat Springs.